Warum ich AmtsGuide baue: Verwaltung als Datenprodukt
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In der letzten Zeit habe ich 4.000+ Anträge der Berliner SPD in einem KI-System aufgeschlüsselt und dabei die Chance und Risiken beobachten können. Das war kein Politik-machen, sondern ein technisches Experiment. Quellen, Suche, Kontext, Nachvollziehbarkeit. Die Frage dahinter war: Wie wird mit KI aus Textmasse etwas, mit Wert, das Entscheidungen ermöglicht?
Aus diesem Denken heraus starte ich jetzt mit einem neuen Schwerpunkt:
amtsguide.de
AmtsGuide ist für mich kein „KI löst Bürokratie“-Narrativ, sondern der Versuch, etwas Unsexyes sauber zu bauen. Verwaltungsprozesse so aufzubereiten, dass Menschen sie verstehen, korrekt ausführen und wiederfinden können. Nicht als Ratgeberhäppchen, How-To’s und FAQs, sondern als strukturierte, zitierfähige Information. Denn, wer schon einmal versucht hat, einen Behördenvorgang nur anhand von Verwaltungswebsites, PDFs, Merkblättern, Formularen und verstreuten Links zu rekonstruieren, weiß, wie schnell aus einer Stunde ein halber Tag werden kann.
Was mich daran reizt, ist nicht „Verwaltung kritisieren“. Es ist das Gegenteil: Verwaltung ist ein hochkomplexes Betriebssystem, das täglich funktioniert, obwohl Regeln, Zuständigkeiten, Ausnahmen und lokale Varianten ständig ineinandergreifen. Das Problem ist nicht, dass dort keine Kompetenz sitzt. Das Problem ist, dass Wissen oft nicht als nutzbares Produkt vorliegt. Es liegt in Dokumenten, in gewachsenen Abläufen, in impliziten Regeln. Und es verändert sich. Wer das in digitale Form bringen will, merkt schnell: Das ist kein PDF-Problem. Das ist ein Datenproblem.
Mein Wunschbild ist deshalb simpel formuliert: Jede Stadt, jeder Antrag, jede Regel als datenfähige Struktur. Nicht um alles zu automatisieren, sondern um es bedienbar zu machen. Für Bürgerinnen und Bürger, für Firmen, für Redaktionen, für Systeme. Und ja, auch für KI Sprachmodelle, die heute schon Antworten geben, ob wir das gut finden oder nicht. Wenn diese Modelle unsere Themen beantworten, dann sollten sie sich auf saubere Quellen und klare Aussagen stützen können, statt auf zufällige Foren-Schnipsel.
Das ist auch ein Punkt, an dem ich bewusst vorsichtig bin. KI ist stark, wenn sie verdichtet, umformuliert, strukturiert, Code scaffolding liefert. KI ist schwach, wenn sie Wahrheit garantieren soll. Genau deshalb ist der Kern von AmtsGuide nicht „AI first“, sondern „Truth first“. Wir versuchen, die Wahrheitsschicht außerhalb des Modells zu bauen: mit Quellen, mit klaren Zuständigkeitszuordnungen, mit Versionierung, mit einem Änderungsstand, der sichtbar ist. Ich will keine großen Compliance-Versprechen machen, die mir später um die Ohren fliegen. Ich will lieber ein überprüfbares Minimum liefern, das wächst.
Human in the Loop
Das führt zur wichtigsten Designentscheidung: Mensch-in-der-Schleife ist bei uns die Architektur. Die inhaltliche Extraktion, die Entscheidung, was wir als Fakt veröffentlichen, der Umgang mit Widersprüchen, die Pflege lokaler Besonderheiten: Das ist Handarbeit. Das ist nicht rückständig, sondern das, was in diesem Kontext Qualität und Verantwortung bedeutet. Die KI kommt danach. Sie schreibt, sie strukturiert, sie variiert Formulierungen, sie hilft uns beim Aufbau der Pipeline und der Website. Aber sie entscheidet nicht, was wahr ist.
Und ja: Ich vibe-code. Vollständig. Meine Infrastruktur, mein Workflow, meine Templates, die Website, die Datenpipelines, die Automatisierungsschritte, so gut wie alles der Umsetzung entsteht im Zusammenspiel mit KI als Pair-Programmer. Für manche klingt das nach Spielerei. Für mich ist es ein sehr disziplinierter Prozess: schnell iterieren, kleine Einheiten, klare Tests, klare Abnahmekriterien, Versionskontrolle. KI macht Vorschläge. Ich entscheide, was übernommen wird und Verantwortung bleibt bei mir. Das ist für mich die produktive Form, um in kurzer Zeit ein System zu bauen, das sonst ein viel größeres Team bräuchte. Gleichzeitig ist es kein Freifahrtschein. Vibecoding funktioniert nur, wenn man bereit ist, konsequent zu prüfen, zu begrenzen und zu dokumentieren.
GovTech
Inhaltlich starte ich bewusst lokal und konkret. Berlin ist jetzt Ende 2025 die Ausgangsbasis. Ab Januar 2026 kommen Hamburg und München dazu. Jede neue Stadt zwingt zu sauberen Datenmodellen, klaren Grenzen, reproduzierbaren QA-Schritten und einer ehrlichen Definition dessen, was wir wissen und was wir (noch) nicht wissen. Darin liegt für mich GovTech-Handwerk: nicht das große Manifest, sondern die Fähigkeit, lokale Realität zuverlässig zu veröffentlichen.
Ein wichtiger Punkt dabei ist Sprache. Wir arbeiten bewusst in einfachem, formellem Deutsch. Nicht als Dogma, nicht als DIN-Auslegung, sondern als Nutzwert. Wenn Menschen einen Prozess nicht verstehen, machen sie Fehler. Fehler kosten Zeit, Geld, Nerven und manchmal echte Schäden. Verständlichkeit ist nicht „nice to have“. Sie ist ein Sicherheitsmerkmal. Gleichzeitig bleibt das Ziel, SEO/GEO-tauglich zu sein, ohne in Keyword-Spam abzurutschen. Das heißt, wir verwenden klare Begriffe, konsistente Strukturen, kurze, zitierfähige Aussagen, dazu Quellenlinks. Als Werkzeuge, damit Leserinnen und Leser das Richtige tun können.
Auch bei Aktualität will ich sauber formulieren. Wir versehen zentrale Seiten mit einem sichtbaren „Stand“-Timestamp. Das ist keine Echtzeit-Zusage, aber das Versprechen, wenn sich Dinge ändern, machen wir das in kurzer Zeit sichtbar.
Geschäftsmodell
Natürlich stellt sich die Frage: Wie wird daraus ein Geschäftsmodell, ohne dass es zur Adresshandelsmaschine wird? AmtsGuide verbindet Menschen mit lokalen Dienstleistern, dort, wo Nutzerinnen und Nutzer bereits eine konkrete Absicht haben. Eingebettet in klare Schritt-für-Schritt-Prozesse, nicht in anonyme Listen. Ich will keine Auktionslogik, keine Klickgebühren-Hölle, keine Vertragsakrobatik. Wenn es funktioniert, profitieren beide Seiten: Nutzer bekommen Orientierung und passende Hilfe, Anbieter bekommen planbare, hochwertige Anfragen. Es ist ein simples Modell. Aber gerade in einem sensiblen Kontext ist „simpel und nachvollziehbar“ oft besser als „maximal optimiert“.

KI und Verantwortung
Warum schreibe ich das öffentlich? Weil ich glaube, dass wir beim Thema „KI im öffentlichen Bereich“ zu oft nur zwei Extreme sehen, Euphorie oder Abwehr. Beides hilft wenig. Mich interessiert die mittlere Linie. Der kontrollierter Einsatz, klare Grenzen, dokumentierte Quellen, menschliche Verantwortung. Ich will zeigen, wie man damit ein echtes Produkt baut, nicht nur PowerPoints oder fragwürdige Geschäftsmodelle. Und ich will dabei auch lernen. Ich werde Fehler machen. Der Unterschied wird sein, ob man sie erkennt, korrigiert und daraus ein stabileres System macht.
Wenn ihr in ähnlichen Feldern arbeitet, freue ich mich über konkrete Hinweise: gute Primärquellen, typische Missverständnisse, Stellen, an denen ihr selbst regelmäßig hängenbleibt, oder Kontakte zu Menschen, die lokale Realität kennen und Lust haben, sie veröffentlichbar zu machen. Und wenn ihr einfach nur mitlest, auch gut. Ich werde in den nächsten Wochen darüber schreiben, wie wir Prozesse modellieren, wie wir Aktualität handhaben, wie wir Sprache gestalten und warum „KI plus Handwerk“ für mich die einzige seriöse Variante ist.
Stand: 18. Dezember 2025